Die Begriffe Indica und Sativa sind in der Welt von medizinischem Cannabis allgegenwärtig. Sie sollen angeblich über die Herkunft, das Aussehen und vor allem die Wirkung einer Sorte Auskunft geben. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter dieser traditionellen Einteilung? Und was sagt die moderne Wissenschaft dazu?

Herkunft und Taxonomie

Die Trennung in Cannabis sativa und Cannabis indica geht auf das 18. Jahrhundert zurück. Carl von Linné beschrieb 1753 Cannabis sativa – hochwüchsig, mit schmalen Blättern. Jean-Baptiste Lamarck klassifizierte 1785 Cannabis indica, die eher buschig wuchs, breite Blätter hatte und aus Indien stammte. Doch heutige genetische Studien zeigen: Die ursprünglichen Linien haben sich über Jahrhunderte durch Kreuzung stark vermischt.

👉 Quelle: Bedrocan – Kein genetischer Unterschied zwischen Sativa und Indica

Anbauunterschiede zwischen Indica und Sativa

Im Anbau zeigen sich gewisse Unterschiede, die zum Teil mit den Herkunftsregionen zusammenhängen:

  • Sativa-Pflanzen: Groß, schlank, lange Blütezeit, lockere Blütenstruktur, geeignet für Outdoor-Grow in warmem Klima.
  • Indica-Pflanzen: Kompakter Wuchs, kürzere Blütezeit, dichte Blüten, gut geeignet für Indoor-Anbau.

Diese Unterschiede sind im praktischen Anbau relevant – jedoch sagen sie nichts über die Wirkungsweise der Pflanze aus.

Wirkung: Was sagt die Forschung?

Viele Konsumenten berichten, dass Indicas beruhigend und körperlich entspannend wirken, während Sativas eher geistig aktivierend und stimmungsaufhellend sind. Doch wissenschaftlich lässt sich diese Zuordnung nicht belegen.

Moderne Analysen zeigen: Zwei als “Indica” deklarierte Sorten können chemisch völlig verschieden sein – und eine als “Sativa” gekennzeichnete Sorte kann sehr wohl eine sedierende Wirkung haben.

👉 Quelle: Nature Plants, 2021 – Genetik und Terpene

Genetik: Hybriden dominieren den Markt

In den letzten Jahrzehnten wurden unzählige Cannabissorten gezüchtet – oft durch Kreuzung von Indica- und Sativa-Linien. Die allermeisten heute erhältlichen Sorten sind Hybride. Eine klare Trennung zwischen „reinem Indica“ oder „reinem Sativa“ existiert kaum noch – auch genetisch nicht.

Chemotypen: Die chemische Wahrheit hinter dem High

Entscheidend für die Wirkung von Cannabis ist weniger die botanische Einteilung, sondern das Cannabinoid- und Terpenprofil:

  • THC (Tetrahydrocannabinol): psychoaktiv, schmerzlindernd
  • CBD (Cannabidiol): nicht psychoaktiv, angstlösend, antientzündlich
  • Terpene wie Myrcen (sedierend), Limonen (anregend), Caryophyllen (schmerzlindernd)

Die Kombination dieser Stoffe bestimmt die Wirkung – nicht der Indica/Sativa-Stempel.

👉 Quelle: PMC – Terpene und ihre Rolle in der Cannabiswirkung

Cannabisforscher wie Dr. Ethan Russo fordern daher, Cannabis nicht mehr nach „Sativa“ oder „Indica“ zu kategorisieren, sondern nach Chemotypen – also der messbaren chemischen Zusammensetzung einer Sorte.

👉 Quelle: PubMed – The Case for the Entourage Effect

Fazit: Mythos entlarvt

Die Begriffe Indica und Sativa haben historische Bedeutung und beschreiben Unterschiede im Wuchs – für die medizinische Wirkung sind sie jedoch wenig hilfreich.

🔍 Entscheidend sind:

  • Gehalt an THC, CBD und anderen Cannabinoiden
  • Terpenprofil
  • Laboranalysen statt Labels

Die moderne Forschung empfiehlt daher, sich nicht auf Etiketten zu verlassen, sondern auf geprüfte Inhaltsstoffanalysen – besonders im medizinischen Bereich.


Tipp für Patient:innen: Achte beim Kauf oder bei der Verschreibung von medizinischem Cannabis auf genaue Laborwerte und individuelle Beratung – nicht nur auf den Sortennamen!